Der Asthetizismus ist ein Begriff, der gemeinsame Tendenzen der gegennaturalistischen literarischen StrOmungen um die Jahrhundertwende markiert. Dazu gehOren vor allem das symbolistische Programm Georges und das impressionistisch geprAgte des Jung Wie...
Der Asthetizismus ist ein Begriff, der gemeinsame Tendenzen der gegennaturalistischen literarischen StrOmungen um die Jahrhundertwende markiert. Dazu gehOren vor allem das symbolistische Programm Georges und das impressionistisch geprAgte des Jung Wien, die sich in den 1890er Jahren in Deutschland sowie Osterreich zu formieren begannen. Beiden ist eine Asthetische Weltanschauung gemeinsam, nAmlich dass nur unter dem Aspekt des Asthetischen das Leben noch einen Sinn machen soll. Das Spezifikum des Wiener Asthetizismus ist eine deutliche Reserviertheit gegenUber einem kunstvermittelten Leben, in das man einerseits verliebt ist, das man aber andererseits als hypertrophes Surrogat eines unvermittelten Lebens verpOnt. Dadurch unterscheidet sich das Asthetische Programm der jungen Wiener von der strengen Lebensverneinung und reinen Kunst Georges. Der programmatische Zentralgedanken der Wiener Moderne kommt in den Dramen von Schnitzler und Hofmannsthal deutlich zum Ausdruck, indem sie das Dilemma des Asthetizismus variieren und konzentrieren, ihn als Lebensform gleichermaßen prAsentieren wie kritisieren. Deren Protagonisten wie Anatol oder Claudio wissen, dass sie ihr Leben “wie ein Buch” erleben, aber zugleich auch, dass diese Stilisierung des Lebens nur eine erborgte Illusion ist. Diese Astheten spielen nur die amoralischen Abenteurer, wAhrend sie unter der selbst induzierten Distanz vom Leben leiden. Sie kOnnen die banale Wirklichkeit der Gegenwart nur ertragen, indem sie diese mit ihrer Phantasie und Erinnerung projektiv Uberformen, doch dekuvrieren sie in ihrer analytischen Begabung, ihrem ≫bOsen Blick nach innen≪, die selbstgeschaffene, kUnstliche Stimmung als Illusion. An dieser Ambivalenz lAsst sich deutlich feststellen, dass das Asthetische Programm der Wiener Moderne kein naiver Asthetizismus ist, sondern ein reflektierter, der sich selbst in Frage stellt. So darf man auch die Opposition der beiden Bereiche, Kunst und Leben, um die sich die Dramen Hofmannsthals und Schnitzlers zu drehen scheinen, interpretatorisch nicht Uberzeichnen, indem die Figurenreden und Bekenntnisse fUr bare MUnze genommen und die Protagonisten dieser Dramen zum ReprAsentanten eines amoralischen Asthetentypus gemacht werden. Die beiden Bereiche bedingen sich vielmehr wechselseitig. Der reflektierte Asthetizismus der Jung-Wiener hAlt qua definitionem dauernd Gerichtstag mit sich selbst und ‘relativiert’ sich selbst. Doch deutet sich im Tod des Astheten vielleicht eine Uberwindung dieser Haltung im Bild des Sozialen, in der Bindung als weiterfUhrendes Programm an.