In der vorliegenden Arbeit geht es um die Eigenständigkeit des deutschen Verwaltungsprozesses bezüglich der eigenständigen und abschließenden Regelung und des Verweisungssystems der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Hinsichtlich des verwaltungsge...
In der vorliegenden Arbeit geht es um die Eigenständigkeit des deutschen Verwaltungsprozesses bezüglich der eigenständigen und abschließenden Regelung und des Verweisungssystems der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Hinsichtlich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die koreanische Verwaltungsprozessordnung (K-VwPO) lückenhaft, daher verweist der Generalverweis in §8 Abs. 2 K-VwPO bei der Lückenfüllung allgemein auf das gesamte koreanische Gerichtsverfassungsgesetz, die Zivilprozessordnung (K-ZPO) und die Zivilvollstreckungsordnung (K-ZVO). Nach der herrschenden Meinung im koreanischen Recht sind die K-ZPO und K-ZVO entsprechend anzuwenden, wenn die Eigenart des Verwaltungsprozesses dies nicht ausschließen. Es fehlt aber an konkreter und systematischer Forschung zur Eigenart des Verwaltungsprozesses, die der Verweisung auf die K-ZPO und K-ZVO im Verwaltungsprozess Grenzen setzt. Zur Lösung dieses Problems ist die VwGO zu erforschen, die verschiedenen eigenständigen und abschließenden Regelungen und ein differenziertes System der abgestuften Übertragung von Zivilprozessrecht in das verwaltungsgerichtliche Verfahren enthält.
Die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit entstand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Kompromiss zwischen dem justizstaatlichen Modell und dem Modell der Administrativjustiz in Anlehnung an den Zivilprozess. Während die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter Einfluss des justizstaatlichen Modells eng begrenzt war, wurde die strukturelle Ungleichheit der Beteiligten, das multipolare Prozessverhältnis und der Untersuchungsgrundsatz unter Einfluss des Modells der Administrativjustiz eingeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dann die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit vollständig zum justizstaatlichen Modell umgebaut, das auf den subjektiven Rechtsschutz zentriert war. Das heutige deutsche Verwaltungsprozess bezweckt in erster Linie den Individualrechtsschutz, auf die die Struktur des Gerichtsverfahrens ausgerichtet ist, dadurch mangelt es an Eigenständigkeit gegenüber dem Zivilprozess. Die objektive Funktionen wie Kontrollfunktion und Rechtsfortbildungsfunktion werden jedoch auch als weitere wichtige Funktionen des Verwaltungsprozesses anerkannt, und diese Funktionen prägen die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Die Funktionen des Verwaltungsprozesses wirken sich auf das gesamte Gerichtsverfahren aus. Bezüglich der Rechtswegzuständigkeit steht die verwaltungsaktbezogenen Klagearten im Zentrum des Verwaltungsprozesses und sind manch öffentlich-rechtliche Streitigkeiten wie etwa Amtshaftung und die Höhe der Entschädigung wegen Enteignung an den ordentlichen Rechtsweg zugewiesen. Der umfassende Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt wird aber einerseits gem. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt, andererseits gibt es Klagearten, die nur objektive Funktionen erfüllen, wie das Normenkontrollverfahren in §47 VwGO. Darüber hinaus spiegeln sich die Besonderheit des Verwaltungsakts im Vorverfahren, in der Klagefrist und im einstweiligen Rechtsschutz wider. Hinsichtlich der Struktur des Gerichtsverfahrens ist die mögliche individuelle Rechtsverletzung Voraussetzung der gerichtlichen Kontrolle (§42 Abs. 2 VwGO) und sind die bereits erfolgte Rechtsverletzungen durch die Behörde in der Regel Gegenstand der Überprüfung (§113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). §42 Abs. 2 VwGO und §113 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 VwGO binden also den Rechtsschutz an die Verletzung von subjektiven Rechten. Außerdem ist die Beschränkung der Wirkung eines Urteils auf die Beteiligten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens Ausdruck eines dem Individualrechtsschutz dienenden Prozessrechts. Hinsichtlich des Prozessverhältnises verteilen sich die Parteirollen formell, um ein geordnetes kontradiktorisches Verfahren zu ermöglichen. Diese festgelegten Prozessrollen sind Ausdruck der Ungleichheit der Parteien im Verwaltungsprozess. Außerdem ist die Beteiligung eines Dritten zur Verfolgung eigener Interessen Ausdruck des multipolaren Rechtsschutzverfahrens. Hinsichtlich der Verfahrensgrundsätze macht sich die Eigenart des Verwaltungsprozesses bemerkbar. Wegen der umfassenden Rechtsbindung der Verwaltung, ist die Verfügungsbefugnis der Behörde über den Streitgegenstand im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erheblich eingeschränkter als im Zivilprozess. Außerdem stellt der Untersuchungsgrundsatz sicher, dass die Kontrolle der Verwaltung nicht durch eine Verfälschung der Tatsachengrundlage versagt. Dadurch gewährleistet der Untersuchungsgrundsatz die Kontrollfunktion und die Verfolgung des öffentlichen Interesses bei der jeweiligen Verwaltungsentscheidung.
Der Kompromiss zwischen dem justizstaatlichen Modell und dem Modell der Administrativjustiz spiegelt sich auch in der Form und Systematik der VwGO selbst wider. Die VwGO enthält einerseits eine Reihe von eigenständigen und abschließenden Regelungen und verfolgt den Anspruch einer vollständigen Kodifikation. Andererseits regelt die VwGO nicht das gesamte Gerichtsverfahren im Detail in eigenständigen Regelungen, vielmehr bedient sie sich eines differenzierten Systems der drei Arten von Verweisungen auf die ZPO. Spezialverweis ohne Voraussetzungen verweist auf bestimmte Regelungen der ZPO und stellt die Anwendbarkeit der in Bezug genommenen Regelungen außer Frage. Spezialverweis mit Abweichungsvorbehalt verweist auf beide ein relativ großes Normintervall (Beweisaufnahme und Vollstreckung) und stellt die Anwendung der konkret in Bezug genommenen ZPO-Regelungen unter die negative Voraussetzung, dass die VwGO keine Abweichungen enthält. Dagegen erlaubt der Generalverweis die Anwendung der ZPO nur, wenn eine Regelungslücke und die Vergleichbarkeit der zu regelnden Sachverhalte vorliegen.
Der koreanische Verwaltungsprozess ist im Hinblick auf die Struktur des Gerichtsverfahrens und das Prozessverhältnis eigenständiger als der deutsche Verwaltungsprozess, jedoch weniger eigenständig in Bezug auf den Klagegegenstand, die Klagearten und Verfahrensgrundsätze. Der Generalverweis in §8 Abs. 2 ist tatsächlich die einzige Verweisung in der K-VwPO, so dass es unvermeidlich ist, dass eine beträchtliche Anzahl von Regelungen der K-ZPO und K-ZVO hierdurch entsprechend anzuwenden sind. Es bedarf jedoch einer eingehenden Prüfung, ob eine planwidrige Unvollständigkeit und die Vergleichbarkeit der zu regelnden Sachverhalte vorliegen. Dabei kann die funktionale und prozessuale Eigenständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit das Beurteilungskriterium sein. Während im Regelungsbereich mit relativ schwacher Eigenständigkeit sich die Anwendbarkeit der K-ZPO-Regelung nach den üblichen Prüfungsmaßstab zu klären hat, ist sie im Regelungsbereich mit relativ starker Eigenständigkeit nach den strengen Prüfungsmaßstab zu klären.