Diese Studie analysiert den Roman Atemschaukel (2009) von Herta Muller im Hinblick auf zwei unterschiedliche Arten von Todesangsten. Der Roman gehort zu der so genannten `Lagerliteratur`, unterscheidet sich aber von der ublichen Lagerliteratur dadurch...
Diese Studie analysiert den Roman Atemschaukel (2009) von Herta Muller im Hinblick auf zwei unterschiedliche Arten von Todesangsten. Der Roman gehort zu der so genannten `Lagerliteratur`, unterscheidet sich aber von der ublichen Lagerliteratur dadurch, dass die angste und Befurchtungen der Hauptfigur zwei verschiedene Ursprunge haben: nicht nur die Zwangsdeportation in das fremde russische Arbeitslager, sondern auch die Entdeckung seiner Homosexualitat. Die letztere Thematik wurde in der Forschung zwar haufig erwahnt, ist aber in Bezug auf ihre poetische Sprache bisher noch wenig erforscht. In dem vorliegenden Beitrag wird zunachst die Heimatlosigkeit des Erzahlers unter diesem Gesichtspunkt erlautert, die zur `Ortlosigkeit` (nach Auge) fuhrt. In dem Lager, an einem “Nicht-Ort“, wo personliche Identitat, Beziehungen und Geschichte jede Bedeutung verlieren, erlebt die Hauptfigur ihre Heimatlosigkeit. Aber auch nach seiner Ruckkehr gewinnt der Protagonist sein Heimatgefuhl nie wieder zuruck, da ihn immer noch die Angst vor der Entdeckung plagt, und er sich deshalb nie mehr geborgen oder sicher fuhlen kann. Dieser Zustand laßt sein Leben als Homosexueller symbolisch als das Leben in einem unsichtbaren sozialen Lager erscheinen und zwingt zu einem Leben auf gepacktem Koffer, immer bereit zur Flucht. Die Homosexualitat des Erzahlers beeinflusst auch seine Schreibweise. Er isoliert sich weithin von Familie und Gesellschaft und kann keinem Familienmitglied wie etwa der Mutter oder der Ehefrau von seiner Gegenwart oder Vergangenheit erzahlen. Er tragt “das Schweigen in dem Nacken“ und zwar lebenslang. Und obwohl er in drei Diktandoheften uber sein Leben schreibt, wird wegen der unbewussten inneren Schreibkontrolle zu einem “falschen Zeugen“ fur sein eigenes Leben. Wie der Erzahler schreibt, wurde in dem vorliegenden Aufsatz unter folgenden Aspekten der sprachlichen Gestaltung, Schweigen, Schreiben in Metaphern und erfundenen Wahrnehmungen und Schreiben von der Heimweh und Heimatlosigkeit konkret analysiert.