Seit der sogenannten kulturellen Wende der spaten 5Oer oder fruhen 6oer Jahre in England und Amerika, der friihen 9Oer Jahre in Deutschland und zum Teil auch hierzulande, wo erst jetzt ein Konsensus dariiber erreicht worden ist, verbreitet sich die Te...
Seit der sogenannten kulturellen Wende der spaten 5Oer oder fruhen 6oer Jahre in England und Amerika, der friihen 9Oer Jahre in Deutschland und zum Teil auch hierzulande, wo erst jetzt ein Konsensus dariiber erreicht worden ist, verbreitet sich die Tendenz, die Literaturforschung auf die Kultunvissenschaft zu erweitem. Dabei ergeben sich in bemg auf die Miiglichkeiten und Grenzen dieser Erweiterung nicht unbeachtliche Probleme, die meistens hauptsachlich daraus resultieren, dass angemessene Methoden dafiir nicht etabliert bzw. festgelegt worden sind.
In der vorliegenden Arbeit, die sich als einen Versuch versteht, diese Probleme kritisch und produktiv zu iiberpriifen, wird folgenden Fragen nachgegangen: erstens, ob die Literatur als kulturelles Phhomen aufzufassen ist; zweitens, wie es moglich ist, die Grenze zwischen dem literarischen und dem aukrliterarischen Ekreich zu iiberschreiten und die interdiszipliniire Forschung m gewd~rleisten. Dafijr werden hier drei Modelle vergleichend angefiihrt, und zwar die Kulturphilosophie von E. Cassirer, die Kulturforschung von C. Geertz und der Ansatz des neuen Historizismus amerikanischer Pragung.
Diesen drei Modellen ist es gemeinsam, dass sie die Kultur als das Gewebe der vom Menschen dbstgespnnenen Meutung verstehen, wie es von E. Cassirer und - ihm folgend - C. Geertz vertreten worden ist. Die Kultunvissenschaft ist daher eine Wissenschaft, welche die Analyse iiber das Netz von J3edeutungen vornimmt, die vom Menschen iiber die Welt gemacht werden. Hier wird Mar, dass die Kulturforschung notwendigerweise mit der Semiotik vorgeht. ,Per Kulturbegriff", so Geertz, Jst wesentlich semiotisch."
Wenn die Kultur als ein Netz von Bedeutungen, die vom Menschen geschaffen werden, begriffen werden kann, ist die Dichtung auch als ein kulturelles Phhomen anzunehmen, die als Ademng des llichtergeistes gilt. Wird die These E. Cassirers angenommen, dass sich die Kultur nur in der Aukrung des Geistes zeigt wie im sozialen Handeln, kiinstlerischen Werk usw., liegt es nahe zu behaupten, dass die Dichtung ein vortreffliches kulturelles Phhomen darstellt. Das soziale Handeln und das kiinstlerische Werk vermitteln ohne Unterschied das Kulturelle mit Hilfe des Zeichensystems.
Dennoch ist es in diesem Kontext wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Erweiterung der Literaturforschung auf die Kulturforschung die Gefahr der Arbitraritiit in sich enthdt, wie es fiir die Semiotik im allgemeinen der Fall ist.